Über die Nordsee: Den Oever – Lowestoft

31. Juli 2018 Von Philip

Der erste 24-Stunden-Törn

Im Juli 2018 haben wir uns endlich getraut – der erste längere Schlag über die Nordsee nach Großbritannien!
Philip hatte sich nach seinen Klausuren mit einem Wochenende Festival belohnt und kam noch in der Nacht aus Weeze nach Lemmer. Das Festivalwochenende hatte allerdings seine Spuren hinterlassen – da musste noch einiges an Schlaf nachgeholt werden! 
Das war allerdings gar kein Problem – erstmal ging es bei knalligem Sonnenschein aber ohne Wind in Richtung Den Oever. Dass Philip nun an Bord war merkte man auf diesem Schlag nach dem gemeinsamen Ableger nicht mehr. Erst kurz vor der Schleuse gelang es die Nachteule zu wecken – das Schleusenmanöver und den Anleger im Außenhafen von Den Oever hätten wir ohne Wind aber wahrscheinlich auch beide im Schlaf absolvieren können…

Nach dem (eher weniger verdienten) Anlegerbierchen und einem Abendessen in Den Oever ging es auch schon relativ früh in die Koje 🙂

Abends in Den Oever
Abends in Den Oever

Hinterm Sonnenuntergang liegt das Ziel des nächsten Tages… Die Nordsee lockt uns mit ruhiger See.

Am nächsten Morgen ging es also los: Gute 130 Meilen vor der Brust und zu unserer Ernüchterung immer noch wenig Wind… Egal, unter Dieseleinsatz ging es um kurz vor 9 Uhr morgens raus aufs Wattenmeer. Bis den Helder kennen wir den Weg mittlerweile schon auswendig – je nach Tide lohnt es sich mit dem Fernglas nach Seehunden auf den Sandbänken Ausschau zu halten. Das ablaufende Wasser zieht uns hier flott durch Visjersgaatje und Maasdiep an Den Helder vorbei. Ab hier heißt es dann endlich Nordsee! Und das merken wir schnell: Das Wasser wird blau und die Wellen länger. Genau darauf hatten wir gewartet. 

Um nicht durch das Verkehrstrennungsgebiet vor den Nordseeinseln fahren zu müssen folgte unser Autopilot dem programmierten Kurs zur Tonne TX1 – der südlichen Ecke des Verkehrstrennungsgebietes. Unser damals noch installierter Radpilot konnte den Stolpervogel unter Segeln nur mit großer Mühe und unter besorgniserregender Geräuschkulisse auf Kurs halten – bei Windstille allerdings performte er zuverlässig. Und genau die hatten wir erwischt. NaJa, mit noch guten 100 Meilen vor der Brust verbrannten wir also erst einmal noch ein paar Liter Diesel. 

So ging es unter der prallen Sonne und ruhiger See vorbei an den ersten Ölplattformen. Schnell fühlten wir uns ganz allein auf der Nordsee – kein Schiff, kein Land mehr in Sicht.
Philip verkroch sich wieder in seine auf Saunatemperatur aufgeheizte Koje – anscheinend gab es weiterhin Schlafnachholbedarf. 

Währenddessen startete Bernd seine Einhand-Karriere und nutzte die erste Böe des Tages für einen Segelversuch – Also schnell in den Wind, Segel hoch und…. 
Nichts. 
Vom Getöse an Deck geweckt konnte Philip nach wenigen Minuten des Wartens auf Wind immerhin helfen die Tücher wieder einzuholen. 

Mittlerweile war es auch schon Abend geworden. Ein ganzes Stück lag bereits hinter uns. 
Für die Überfahrt hatten wir uns nicht wirklich üppig mit Proviant eingedeckt. Während in Lemmer der Eine schon zu aufgeregt der Andere noch zu Müde hierfür war ist der Weg zum nächsten Supermarkt in Den Oever einfach zu weit gewese… So gab es einfach die vom Festival übrig gebliebenen Dosenmahlzeiten. Schnell aufgewärmt konnten wir diese in der Abenddämmerung „genießen“. 

Die Nacht war kurz und trotzdem einsam für Bernd…
Aber es hatte sich gelohnt- am Morgen konnten mit den ersten Sonnenstrahlen die auf das Taunasse Deck fielen die Segel endlich gesetzt werden.  
So hatten wir uns das eigentlich vorgestellt: Frühstücken unter Segeln bei schönstem Wetter! 
Schnell noch unseren „Red Ensign“ gehisst ging es an die letzten Stunden… 

Und dann ging eigentlich alles ganz schnell. Gegen den Strom erreichten wir die South Holm welche wir uns für unseren Kurs als Ziel gesetzt hatten. Das erste greifbare Stück England!
Über die Gezeiten selbst hatten wir uns ehrlich gesagt wenig Gedanken gemacht. Aus einem ganz einfachen Grund: Sowohl Den Oever als auch Lowestoft sind unabhängig von den Gezeiten gut zu erreichen. Wenn wir also 24 Stunden unterwegs sind, nehmen wir sowieso jeweils zwei Mal auf- bzw. ablaufendes Wasser mit. Netto ergibt das also vereinfacht kein Versatz für uns. 

Noch schnell die Engländer angefunkt und schon waren wir da: Im Royal Norfolk & Suffolk Yacht Club Lowestoft!

Nach dem Anleger kurz frisch gemacht und ab ins Städtchen. Während es uns beim englischen Frühstück noch zu früh für’s Anlegerbierchen vernichteten die Briten schon ihre ersten Pints um kurz nach 10. 
Bernd nutzte den Vormittag um sich etwas auszuruhen (die Nacht hatte er ja alleine durchgehalten) während Philip das Städtchen ein wenig erkundete. 

Die Statistiken:

Fazit

Vor diesem Törn hatten wir im Voraus gesunden Respekt. Die Nordsee zeigte sich uns aber von ihrer wohl liebsten Seite, sodass sich dieser Schlag gefühlt kaum von dem uns bereits bekannten Segeln unterschied. Da hatten wir schon wesentlich anspruchsvollere, nervenaufreibendere Abenteuer erlebt. Seglerisch war dieser Törn alles andere als anspruchsvoll aber trotzdem sind wir froh es gemacht zu haben. Lieber mit einer solch positiven Erfahrung das Kapitel der längeren Schläge eröffnen als bei jedem folgenden Törn an ungute Erfahrungen denken zu müssen. 
Wir haben uns in Lowestoft mit seinem „morbiden Charme“ wohl gefühlt, sind aber bereits nach einem Tag wieder aufgebrochen. Den Rückweg konnten wir sogar fast durchgehend segeln!